Britischer Brandtest reicht nicht aus

28 Jul 2017
Seit der Katastrophe im Londoner Grenfell Tower ist die Debatte über den Brandschutz von Fassaden neu entbrannt. Die Europäische Kommission arbeitet bereits an einer neuen, harmonisierten Methode zur Brandprüfung von Fassadenmaterialien. Der Steinwolle-Hersteller Paroc fragt sich, ob das reicht. 

Die Brandlast eines Müllkorbs mit 30 kW Leistung entscheidet in England, ob ein Bauprodukt für die Fassadendämmung zulässig ist. Außerdem wird lediglich die Oberflächen-Entzündbarkeit untersucht – auch bei mehrschichtigen Materialien. “Der verheerende Brand im  Grenfell Tower hat gezeigt, dass das nicht reicht”, betont Susanna Tykkä-Vedder, Development Manager bei Paroc. 

Das im Grenfell Tower eingesetzte Dämmmaterial, eine angeblich 150 mm dicke Verbundplatte aus Polyurethan (PU) und Aluminium, dürfte einer deutlich größeren Wärmelast als 30 kW ausgesetzt worden sein. Zudem war der Kern aus PU brennbar, was die Brandlast des Gebäudes nicht minderte, sondern erheblich steigerte.

Vorsicht bei brennbaren Kern-Materialien

“Sicherheit bedeutet, unter die Oberfläche zu schauen”, erklärt Susanna Tykkä-Vedder. Insbesondere bei Verbundprodukten mit ölbasierten Materialien lohne sich ein genauer Blick unabhängig von der ausgewiesenen Brandschutzklasse: ”Bei der Fassadendämmung sind die Brandeigenschaften des Kerns wichtiger als die der Oberfläche.” Fassaden bestehen heute vornehmlich aus mehrschichtigen Produkten, was sich in der üblichen Brandprüfung jedoch nicht widerspiegelt. Als Konsequenz erhalten selbst Fassadensysteme mit brennbarem Kern die Einstufung in die Brandschutzklasse B-s1, d0.

Separate Prüfung für mehr Sicherheit

Der Steinwolle-Hersteller Paroc empfiehlt, alle Komponenten und Materialschichten separat zu prüfen, wie es bei Produkten der Brandschutzklassen A1 und A2-s1 praktiziert wird. Brennbare Fassaden müssen die Anforderungen einer Brandabschottung erfüllen oder so vom Rest des Gebäudes getrennt sein, dass sie bei Feuer keine zusätzliche Brandlast darstellen. Von Chemikalien zur Senkung der Brennbarkeit rät Susanna Tykkä-Vedder ab. Bei hohen Temperaturen hätten sie praktisch keinen Nutzen, weil alle organischen Materialien brennen. “Optimalen Schutz bietet nur Steinwolle, weil diese nicht brennbar ist und sämtliche Anforderungen an ein Gebäude abdeckt: Brand- und Schallschutz sowie thermische Isolierung.”

Künftiger Rechtsrahmen
Die Europäische Kommission entwickelt derzeit eine harmonisierte Methode zur Brandprüfung von Fassadenmaterialien. Sie basiert auf der Prüfmethode BS 8414-2, die bislang in England angewendet wird. “Der Hersteller der Fassade vom Grenfell Tower hat alle nötigen Prüfungen durchlaufen und entsprechende Genehmigungen erhalten. Werden wir in Zukunft zuverlässige Ergebnisse für sicherere Konstruktionen erhalten?” fragt sich Susanna Tykkä-Vedder: “Solange die Brandprüfverfahren nicht mit dem Entwicklungstempo moderner Fassadenprodukte mithalten, haben Architekten und Planer nur die Möglichkeit, sich auf die Brandschutzklassen nach den CE-Kennzeichnungen zu verlassen. Das ist aus unserer Sicht absolut unzureichend.”